
Am frühen Nachmittag des 28. Juli 2025 verstarb im Bürgerheim in Tuttlingen nach einem Jahr Krankenlager unser Mitbruder
Pater Notker Michael Alois Hiegl OSB
Geistlicher Rat
Ehrenbürger der Gemeinde Bärenthal
im 85. Lebensjahr, im 59. Jahr seiner monastischen Profess
und im 46. Jahr als Priester.
Michael wurde am 15. Juni 1941 als „Donauschwabe“ in Milititsch in der Batschka im heutigen Serbien geboren. Seine Eltern Leopold Hiegl und Eva, geborenen Sellinger, hatten insgesamt sechs Kinder, von denen leider zwei bei der Flucht aus der Heimat ab dem 10. Oktober 1944 starben. Über Jugoslawien, Ungarn, Österreich, die Tschechoslowakei, Polen und die SBZ führte die Odyssee der Familie im Juli 1946 nach Schönaich, wo viele weitere Landsleute eine neue Heimat aufbauten. Zum Glück fand der Vater nach Kriegsdienst und Gefangenschaft seine Familie wieder. Die Strapazen der Flucht verursachten bei dem kleinen Bub eine Erkrankung der Atemwege, die er nie mehr loswerden sollte. Mit Stolz erfüllte unseren Pater Notker, dass im Haus der Familie Hiegl die Diaspora-Notkapelle untergebracht war. In seiner gut katholischen Familie wurde jene Beziehung zu Jesus und der Gottesmutter in ihm grundgelegt, die ihn alle kommenden Herausforderungen bewältigen ließ.
Nach der Volksschule in Schönaich besuchte er die Gymnasien in Rottenburg und Rottweil bis zur Mittleren Reife und wohnte dort jeweils im katholischen Konvikt. 1961 begann er im Rathaus Holzgerlingen eine Ausbildung zum Verwaltungsinspektor, die er 1964 erfolgreich abschloss. Gegen Ende dieser Ausbildung reifte in ihm der Wunsch, Bruder bei den Kartäusern in Düsseldorf zu werden. Der Hinweis, in diesem Orden nie vom Stand der Brüder in den Stand der Priester wechseln zu können, ließ ihn eine Kurskorrektur vornehmen. Michael Hiegl wollte Mönch in Beuron werden.
Im Frühjahr 1964 begann er sein klösterliches Leben in Beuron. Am 3. Oktober wurde er eingekleidet, am 9. Oktober 1966 legte er die zeitliche Profess ab. Die ewige Profess folgte am 28. September 1969, noch nach der Ordnung der Brudermönche. Der junge Bruder Notker wurde in der Buchhaltung eingesetzt. 1973 kam die Aufgabe eines Geschäftsführer der Vetus Latina Stiftung hinzu, durch die er lernte, mit Politikern, Wissenschaftlern und Unternehmern ohne Scheu zu verkehren.
Da sein Ruf zum Priestertum immer stärker wurde, durfte er auf einem persönlich gestalteten zweiten Bildungsweg die Studienberechtigung für ein kirchliches Studium erwerben. In Beuron lehrte ihn unser Pater Richard Beron vier Semester Philosophie, in Einsiedeln hörte Bruder Notker sechs Semester Theologie, und in Benediktbeuern besuchte er zwei Semester Pädagogik. Die Priesterweihe spendete ihm der Freiburger Weihbischof Dr. Karl Gnädinger am 11. Juli 1980. Seither war Pater Notker ganz in seinem Element und nicht mehr zu bremsen.
Er engagierte sich als Exerzitienleiter für Jugendliche, Eheleute, Familien und Ordensfrauen. Ganz besonders wichtig wurden ihm ab 1981 die Kurse für Bürgermeister und politisch Tätige. Bis 2006 kamen allein auf diesem Feld 39 Kurse zusammen; bei mehreren Wallfahrten zu europäischen Heiligtümern bescherte er den Kursteilnehmern tiefe Erlebnisse. 1986 übernahm Pater Notker den Dienst als Pfarrer von Beuron, Bärenthal und Hausen im Tal. Aus der Liebe zu seinen Gemeinden verfasste er Broschüren, Zeitungsartikel, Chroniken und neun kleine Bildbände historischen, künstlerischen oder religiösen Inhalts. Die Renovierungen der Kirchen und Kapellen in Thiergarten, Hausen, Langenbrunn und Bärenthal sowie der Pfarrhäuser aller drei Pfarreien wurden von ihm begleitet. In Bärenthal beteiligte er sich bei der Gründung der Euro-Bärenthaler, einer Partnerschaft mit den Orten desselben Namens.
Auf dem Gnadenweiler bei Bärenthal ließ er die Kapelle Mutter Europas erbauen. Diese Kapelle sollte der Ausgangspunkt für eine Art Kapellen-Netzwerk werden, das Europa überziehen und auf seine christlichen Wurzeln hinweisen sollte. Pater Notker wollte damit zur Erneuerung des Glaubens und der Kirche in Europa unter dem Schutz der Gottesmutter beitragen. Es gelang ihm tatsächlich, zwölf Kirchen und Kapellen zu gewinnen, die bereits das Patrozinium „Maria Mutter Europas“ trugen oder bereit waren, es als zweiten Titel anzunehmen. Mit den ersten fünf Heiligtümern zeichnete er gleichsam ein Kreuz über die Landkarte Europas, mit weiteren zwölf wollte er den Kranz der Gottesmutter mit zwölf Sternen durch weitere Patrozinien für die „Mutter Europas“ abbilden. In mehreren Geschenkbänden berichtete er von seinen Reisen zu den Partnerkirchen und verschenkte sie stets und überall großzügig, um die Botschaft für ein christliches Europa zu verbreiten (www.maria-mutter-europas.de).
Immer war Pater Notker bereit, Kinder zu taufen, Kranke und Sterbende zu besuchen, Tote zu begraben und Beichtende von ihren Sünden loszusprechen. Er beschränkte sein Wirken nicht auf seine Pfarrkinder; niemand kann sagen, für wie viele Menschen Pater Notker zum Wegbegleiter wurde, ob als Telefonseelsorger bis in den späten Abend hinein oder als Beichtvater, wo immer es sich ergab.
2010 fasste Pater Notker sein bisheriges Leben in seiner Autobiographie „In der Freude des Herrn“ zusammen. Darin spricht er anschaulich von seiner geliebten Familie, von seiner Freude am Klosterleben und als Seelsorger und von seiner Dankbarkeit für Gottes Führung.
Seine Arbeit als Priester und Europäer fand öffentliche Anerkennung in der Ernennung zum Geistlichen Rat durch den Freiburger Erzbischof und zum Ehrenbürger der Gemeinde Bärenthal sowie in der Verleihung der Staufer-Medaille des Landes Baden-Württemberg.
Als Pater Notker 2014 von seinen pfarrlichen Aufgaben entpflichtet wurde, zog er sich keineswegs von seinem Europa-Projekt zurück. Auch als Hausgeistlicher der Benediktinerinnenabtei Engelthal bei Altenstadt in der Wetterau setzte er nebenher sein marianisch-europäisches Apostolat fort und wurde auch dort zum eifrigen Beichtvater für Menschen aus Nah und Fern. Gerade in Engelthal malte er besonders viele Aquarelle, ein Hobby, das ihn so lange erfreute, bis die Finger den Pinsel nicht mehr halten wollten. Seine Aquarelle aus der Klosterzelle fanden Eingang in weitere Buchprojekte, mit denen er seine Freunde beschenkte.
Ende 2020 wurde deutlich, dass seine körperlichen Beschwerden zu groß geworden waren, als dass er noch eine offizielle Aufgabe hätte wahrnehmen können. Seine Lungen, das chronische Rheuma und die Parkinson’sche Krankheit plagten ihn zusehends. Vater Erzabt holte Pater Notker nach Beuron zurück; dort bezog er eine Zelle auf der klösterlichen Krankenstation. Er war glücklich, endlich wieder im Kloster als Mönch leben zu können. Weiterhin diente er sehr gerne als Beichtvater. Soweit es ihm möglich war, beteiligte er sich am klösterlichen Gemeinschaftsleben und verstärkte nun die allabendliche Gemeinschaft der Rosenkranzbeter in der Gnadenkapelle bzw. im Oratorium.
Die letzte Zäsur brachte das Jahr 2024. Mit äußerster Anstrengung hielt er seine letzten Maiandachten auf Gnadenweiler. Danach musste er sich einer Krebsoperation unterziehen. Der Tumor konnte zwar beseitigt werden, die Schmerzen aber blieben. Eine Pflege-Präsenz von 24 Stunden wurde notwendig. Im Kloster konnte dies nicht mehr gewährleistet werden. So musste er ein Zimmer im „Bürgerheim“ in Tuttlingen beziehen, einem Alten- und Pflegeheim der Stiftung Str. Franziskus aus Schramberg. Es wurde ihm dort nicht langweilig, denn bei seinen vielen Freunden und Bekannten war er nicht vergessen. Täglich erhielt er Besuche und Anrufe; stets gab er jedem ein gutes und aufbauendes Wort mit und stand den Menschen bei, wo er nur konnte. Wir sind außerordentlich dankbar dafür, dass jeden Tag jemand aus P. Notkers Freundeskreis ihm selbstlos pflegend und betreuend zur Seite stand. So war er selbst ebenso liebevoll begleitet, als Gott ihn zu sich heim rief. Gestärkt und geheiligt durch die heiligen Sakramente, die er eine Woche vor seinem Tod noch einmal erbat, durfte er seinem Herrn entgegengehen.
ERZABT TUTILO UND DIE MÖNCHE VON BEURON